KATRIN BONGARD
STREET ART LOVE
E-Book Seiten ISBN |
3,99 € coming soon 192 978-3-943799-40-8 |
Young Adult /Liebe
*Kunst, Streetart, Freundschaft, Obdachlosigkeit*
Sophie liebt es, zu zeichnen. Eines Tages kommt der coole Charly in den Kunst-LK. Er ist frech, intelligent und widerspricht den Kunstlehrern ununterbrochen. Stimmt das Gerücht, dass heimlich sprayt? Kurzerhand beschließt Sophie, den Neuen zu hassen. Doch schon bald ist sie von seinem wilden Lebenswandel, seinem Drang nach Freiheit und seiner Art der Kunst fasziniert und er von ihr. Als sie Charly eines Nachts zu einer Sprayaktion begleitet, geraten beide in Gefahr …
Street Art Love
DER ERSTE SCHULTAG nach den Sommerferien macht mich immer etwas traurig. Ist der Sommer nun vorbei? Eigentlich nicht, es kommt noch der ganze August, aber weil die Ferien vorbei sind, denke ich schon an den Herbst.
»Komm, wir gehen ein Eis essen!«
Maja sieht mich überrascht an. »Echt, Sophie? Ich dachte, du musst schnell nach Hause. Wartet Max nicht?«
»Er ist ja seit gestern acht und kann ruhig mal eine halbe Stunde auf mich warten.«
Sie grinst begeistert. »YEAH, da gibt es ein neues Eiscafé in der Passage.«
Wir rennen los, bis Maja plötzlich scharf abbremst. »Mist, ich hab kein Geld dabei!«
Maja hat nie Geld dabei. Sie wohnt bei ihrer Mutter, das Geld ist immer knapp, und es gibt Monate, da bekommt sie kein Taschengeld. Ich finde ja, das verstößt gegen die Menschenrechte, aber bis ich das vor irgendeinem Ausschuss vorgebracht habe, lade ich Maja gerne ein. Kein Problem, denn meine Eltern haben wenig Zeit, viel Arbeit in ihrer eigenen Anwaltskanzlei, aber eben auch viel Geld. Ich bekomme reichlich Taschengeld und dazu noch Haushaltsgeld, damit ich im Notfall für Max und mich mal eine Pizza bestellen, Milch einkaufen oder sonst etwas bezahlen kann. Ich denke, Eis ist ein Grundnahrungsmittel und gehört unbedingt dazu.
»Aber du lädst mich immer ein.«
»Na und? Irgendwann kannst du dich revanchieren.«
»Und dir eine Eisdiele kaufen?«
Ich grinse. »Genau.«
Vor dem Eiscafé steht eine lange Schlange an der kleinen Durchreiche, an der das Eis ausgegeben wird. Und am Ende der Schlange steht der Neue. Heute Morgen ist er von einer anderen Schule zu uns in die Klasse gekommen.
Und die ganze Mädchenreihe ist fast in Ohnmacht gefallen. Nein, nicht weil er wie ein überirdisch schöner, blutleerer Supervampir aussieht, sondern weil er mit Abstand der rockigste, lässigste und arroganteste Typ ist, den unsere Schule jemals gesehen hat. Die Jeans an den Knien weit aufgerissen, ein schwarzes, selbst bemaltes T-Shirt, strubbelige Haare, die in alle Richtungen abstehen, und ein Blick, als ob wir keine Ahnung vom echten Leben hätten. Ich meine, hallo?
Auf einmal will ich kein Eis mehr, denn ich habe keine Lust, mich hinter ihm anzustellen. Maja hat ihn auch entdeckt und japst schon ganz aufgeregt neben mir, also sage ich: »Ach, da ist es so voll, lass uns lieber ein Eis aus dem Supermarkt holen.«
»Ach nö, echt jetzt?«
Ich ziehe Maja in die andere Richtung.
»Oder wir warten«, sagt Maja entschlossen und bewegt sich nicht von der Stelle. Dazu macht sie seltsame Bewegungen mit ihren Augenbrauen, die mich vermutlich darauf aufmerksam machen sollen, dass der Neue nur ein paar Meter weiter vor uns steht. Wie heißt er noch? Charly.
Ich tue so, als würde ich sie nicht verstehen. Der Typ hat sowieso schon die Aufmerksamkeit der ganzen Schule, da braucht er nicht noch meine. Das Nervigste ist: Er ist an unsere Schule gekommen, weil er seinen Schwerpunkt wechseln will. Das hat er tatsächlich gesagt. Weil er mehr Kunst machen möchte. Unsere Schule hat einen künstlerischen Schwerpunkt. Regelmäßige Kunstexpeditionen und neben den normalen Kunstkursen noch eine Kunst-AG. Was vermutlich bedeutet, dass ich ihn ab jetzt nicht nur im Unterricht, sondern auch noch in der Kunst-AG sehen werde und ihm nicht mehr entgehen kann. Und wahrscheinlich ist es dann auch vorbei mit der Ruhe, die in unserer Kunst-AG herrscht, die nämlich fast ausschließlich aus Mädchen besteht. Steffen zählt nicht so richtig, er ist ein Nerd und Comiczeichner und redet sowieso fast nichts, aber dieser Charly ist anders.
»Hey, ihr seid in meiner Klasse, oder?«
Jetzt hat er uns bemerkt und winkt uns lässig heran. Ich bleibe stehen, aber Maja springt auf ihn zu. Ich folge ihr sehr langsam. In meiner Klasse? Moment mal! Er ist gerade erst in diese Klasse gekommen. Er grinst, seine Eckzähne stehen schief, seine Haare hängen ihm ins Gesicht, und als er sie zurückstreicht, sehe ich, dass seine Hände voller Lackfarbe sind.
Maja lächelt. »Ich bin Maja, und das ist Sophie!«
Er nickt mir zu. »Holt ihr euch auch ein Eis!« Er lächelt breit. »Ich lade euch ein.«
Maja lächelt zurück. »Oh, das ist ja nett!«
Er sieht mich fragend an.
»Nein danke, ich …«
»Was möchtet ihr?«, fragt der Eismann. Charly sieht Maja an.
»Erdbeer!«
»Und?«
»Nur Erdbeer, im Hörnchen«, nuschelt Maja bescheiden.
»Zwei Kugeln Erdbeer!«, sagt Charly und sieht mich erwartungsvoll an. Ich trete erst mal näher. Ich muss das Eis sehen, wenn ich wähle. »Was ist das Blaue?«
»Schlumpf-Eis«, sagt der Verkäufer. Ach ja, ich erinnere mich. Wassereis mit Speisefarbe.
»Und das Rote?«
»Kirsch.«
»Und das Gelbe da drüben?«
»Mango.«
Charly starrt mich an.
»Was ist?«, frage ich. Ich brauche Zeit, um mich zu entscheiden. »Willst du erst aussuchen?«
»Nein, schon okay, nur …«
»Was?«
»Du suchst das Eis nach Farben aus?«
Der Eismann seufzt. »Könntet ihr euch vielleicht mal entscheiden? Hinter euch stehen auch noch ein paar Leute!«
»Zwei Kugeln. Mango und Zitrone«, sage ich und hole mein Portemonnaie heraus.
»Und wer zahlt das Erdbeereis?«
Ich reiche ihm einen Zehner. »Ich!«
»Nein, ich!«, sagt Charly und kramt in seinen Taschen. Bis er sein Geld herausgeholt hat, hat der Eismann schon meinen Schein einkassiert.
»Moment, da kommt noch ein Eis dazu«, sage ich zu dem Eismann und sehe Charly auffordernd an. »Du bist neu in der Klasse, natürlich laden wir dich ein.«
Er schaut mich an und lächelt überrascht. »Danke.«
Wir gehen mit unseren Eistüten etwas weiter zu einer Bank.
»Wow, das Schoko-Eis ist super!«, sagt Charly. Er hält Maja sein Hörnchen hin. »Willst du mal probieren?«
Maja wird rot und schleckt von seinem Eis. »Schmeckt super!« Ihre Stimme ist bestimmt zwei Oktaven höher als sonst.
»Du auch?«, fragt Charly und hält mir seine Eistüte hin. Er hat offenbar noch nie was von Speichel gehört. Ich schüttele den Kopf. Er zuckt lässig mit den Schultern und sieht mich neugierig an.
»Schmecken denn deine Sorten? Ich meine, wenn man nach Farben aussucht, besteht ja ein gewisses Risiko …«
»Wieso?«, fragt Maja naiv, als hätte sie seit der Begegnung mit Charly ihr Gehirn verloren.
»Alles bestens!«, sage ich.
»Ich wette, du sortierst auch deine Bücher nach Farben.«
Allerdings. Aber das muss ich ihm ja nicht sagen.
»Ja, sie hat auch Farben für Menschen«, platzt Maja heraus.
Ich stoße sie an. Darüber müssen wir jetzt nicht reden.
»Ach ja?«. sagt Charly. »Das finde ich interessant. Was für eine Farbe, hm, hat denn zum Beispiel der Typ da?«
Er zeigt auf einen langen, schlaksigen Typen aus der Elften. Er hat blonde, kurze glatte Haare und eine helle Haut. Ganz eindeutig ein Hellblau.
Maja und Charly sehen mich erwartungsvoll an. Ich habe keine Lust, darüber zu reden. Nicht mit ihm. Es ist ein Spiel zwischen Maja und mir und irgendwie geheim. Ich kann nicht fassen, dass Maja ihm davon erzählt hat.
»Was denkt ihr denn?« Ich löffele ruhig mein Eis und warte auf eine Antwort.
»Dunkelgrün?«, sagt Maja vorsichtig.
Charly und ich schütteln den Kopf.
»Nein, nein.« Er runzelt die Stirn. »Nicht Grün! Dafür ist der Typ viel zu …«
»Leicht«, rutscht es mir heraus. Er nickt. »Genau, ich finde, es muss eine helle Farbe sein.«
Ich halte den Atem an.
»Lichtblau!«, sagt Charly entschieden.
Verdammt, er hat recht. Lichtblau ist sogar noch besser und präziser als Hellblau. Maja zieht einen Schmollmund. »Was soll das denn für eine Farbe sein?«
Charly versucht es ihr zu erklären. »Transparent, durchscheinend.«
Ich weiß genau, was er meint.
»Okay, was bin ich denn dann für eine Farbe?«, fragt Maja neugierig, obwohl wir darüber schon tausendmal gesprochen haben. Maja ist Orange. Ein sattes Orange. Für mich war das immer klar. Sie hat nussbraune Haare, eine leicht gebräunte Haut und trägt gerne Rottöne. Aber was sie für mich vor allem zu Orange macht, ist, dass sie meist unbekümmert und fröhlich ist. Sie hat fast immer gute Laune. Und sie ist sehr leicht zu beeinflussen. Daher ist sie keine der Grundfarben, eher eine Mischung.
Charly blinzelt und sieht sich Maja so genau an, dass sie wieder rot wird.
»Gelb.«
Ich bin ganz und gar nicht seiner Meinung, aber Maja lächelt geschmeichelt. Als wäre Gelb so viel besser als Orange.
Charly schaut zu mir, und ich schüttele den Kopf. Er kneift die Augen zusammen. »Was denkst du denn?«
»Orange.«
Er betrachtet Maja und nickt langsam. »Aber ein helles Orange.«
Maja bläst enttäuscht die Luft aus. Sie wäre lieber ein Gelb geblieben, das sehe ich eindeutig.
»Und was ist Sophie?«, fragt sie, stopft den Rest der Eistüte in ihren Mund und verschränkt die Arme vor der Brust.
Auch da hatten wir uns eigentlich geeinigt. Ich bin Cremeweiß. Es war nicht leicht, eine Farbe für mich zu finden. Ich habe lange, dunkelblonde Haare und Sommersprossen. Ich trage am liebsten einen Pferdeschwanz, bedruckte T-Shirts und Jeans. Ich bin mittelgroß, eher schmal, und ich bin ein heller Hauttyp. Erst war ich enttäuscht, dass ich keine richtige Farbe bekomme, aber Maja hatte eine gute Erklärung. Sie sagte, Weiß wäre klar und hell und ich wäre auch immer so klar und eine aufmerksame Beobachterin. Neutral – auf eine gute Art und Weise. Aber ein bisschen Gelb haben wir dann doch reingemischt, denn reines Weiß ist einfach zu kalt.
Wir haben uns also eine Menge Gedanken gemacht, und jetzt steht Charly da und will das alles in ein paar Sekunden erkennen? Allerdings war er bei Maja wirklich nah dran. Und natürlich ist es auch Ansichtssache, schon klar.
Charly überlegt immer noch. Ich werde langsam ein wenig ungeduldig.
»Was jetzt?«
Er zögert und sagt dann entschieden: »Grau.«
»GRAU?« Ich spüre, dass es mich trifft. Grau, die langweiligste und deprimierendste Farbe überhaupt.
»Grau?«, fragt auch Maja irritiert.
»Ja, so ein helles Grau, fast silbern.«
Nein, so kann er die Sache nicht mehr retten. Wenn er mich nicht leiden kann, bitte, aber Grau? Das ist einfach nur gemein.
Ich sehe zu Maja, äußerlich ruhig, innerlich koche ich. »Ich muss los.«
Maja spürt meine Stimmung. Charly allerdings auch. Was bildet er sich überhaupt ein!
»Okay, na dann!«, sagt Maja und stellt sich zu mir. Ihr Blick hängt allerdings immer noch an Charly. Ich wende mich zum Gehen. Maja kommt widerwillig mit.
»Hey, und was bin ich für eine Farbe? Das ist nicht fair, oder?«, ruft Charly hinter uns her, und Maja dreht sich natürlich um. Ich bleibe stehen, drehe mich auch um und mustere ihn abschätzig. »Schwarz«, sage ich ruhig. »Für mich bist du Schwarz.« Dann gehe ich weiter. Ganz ruhig. Und Charly bleibt zurück.
Maja trippelt eilig hinter mir her. »Wieso denn Schwarz?«, flüstert sie leise. »Wegen der Haare? Oder weil er diese schwarzen Sachen anhat? Aber er hat doch blaue, ganz helle Augen und helle Haut, und ich dachte, wir hätten gesagt, Schwarz ist gar keine Farbe, genauso wie Weiß …«
»Genau«, sage ich aufgebracht. »Um eine Farbe zu bekommen, sollte man etwas Charakter zeigen, aber dieser selbstgefällige, überhebliche, eingebildete …«
Unser Bus kommt, und wir müssen laufen, um ihn zu erwischen.
Im Bus beruhige ich mich etwas. Maja sieht aus dem Rückfenster und zupft mich am Ärmel. Draußen steht Charly und blickt uns überrascht hinterher.
»Also echt«, sagt Maja. »Gerade warst du aber auch ganz schön … Weiß!«
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Presse / Rezensionen
»Gefühlschaos und die ganz große Kunst.
Ich bin ein großer Fan von Katrin Bongard und habe ihre anderen Werke jedes Mal verschlungen. “Street Art Love” überzeugt ebenfalls, kommt jedoch nicht so ganz an “Loving” oder “Kissing” heran.
In diesem Jugendbuch überzeugt die Autorin vor allem mit der Art, wie das Gefühlschaos ihrer Protagonistin dargestellt wird. Denn die gerade einmal 15-Jährige Sophie steckt mitten im pubertären Gefühlchaos und genau das fängt Katrin Bongard sehr gut ein und kann es mit der jugendlichen Stimme von Sophie wiedergeben. Das gelingt so toll, dass ich mich wirklich darin wiederfinden konnte und ich glaube, dass es auch vielen anderen Leserinnen, die vielleicht schon ein wenig länger aus ihrer Jugend herausgewachsen sind, so gehen wird.
Katrin Bongards Geschichten und Protagonisten haben zwar eine bestimme Zielgruppe, schaffen es jedoch auch junggebliebene mit tollen Charakteren und Tiefgang zu überzeugen.« (ColourfulMind 4. Juli 2014)
»… ich mag es, wenn man mit den Protagonisten zusammen eine Stadt entdecken kann. (Bensia, 21. Juli 2014)